Pressestimmen
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Laudatio im Roten Turm von Ellen Stein, 25.08.2017:

Ausstellungseröffnung Christine Hohmann "Vestiges of Existence"

Dies sind nur zwei der vielen Kommentare, die Christine Hohmann beim Erstellen ihrer Frottagen des Ludwigshafener Asphalts gehört hat.
Bei ihren Arbeiten, die sie nicht als "Street Art", sondern stattdessen als "Street Work" bezeichnet, hat sich die gebürtige Hamburgerin ihre Wahlheimat Ludwigshafen sozusagen "von unten" angeschaut. Dazu hat sie interessante Stellen mit Graphit, Geduld und Knieschonern auf Papier gebracht.
Die Technik der Frottage ist so simpel wie effektvoll: Papier oder ein anderer Träger wird auf einen beliebigen Untergrund gelegt und seine Textur mittels Kreide oder Graphit durch Abreiben übertragen.Im Falle von Christine Hohmanns "Street Work" bedeutet das zunächst, das richtige Papier zu finden - nicht zu dick, nicht zu dünn durfte es sein. Fündig geworden ist sie , wie man sieht, aber dieses spezielle Papier wird mittlerweile nicht mehr hergestellt. Das heißt alles, worauf Sie hier blicken, sind Einzelstücke, die in dieser Form nicht reproduzierbar sind.
Die Frottagen inszenieren künstlerisch verschiedene Stellen des Ludwigshafener Untergrunds, die der Künstlerin interessant erschienen. Darunter befinden sich regelmäßige Texturen ebenso wie prominente Kanaldeckel und unregelmäßige Texturen.
Untrennbar verbunden mit der Entstehung dieser Kunstwerke sind auch die Reaktionen des Publikums, die mal positiv, mal negativ, mal außergewöhnlich und unerwartet sind, aber immer relevant für Werk und Künstlerin gleichermaßen.
Eine zentrale Frage ist die, die ein Passant mit Hund exemplarisch stellte:"Wozu machen Sie das? Kriegen Sie das bezahlt? Wie wollen Sie das aufhängen? Wer will das haben?" Der Mann ging irritiert davon, der Hund blieb. Kurze Zeit später kehrte der Mann mit Essen für die Künstlerin und einer Entschuldigung für sein rüdes Fragen zurück.
Die Kommunikation zwischen Rezipienten, Kunstwerk, Künstlerin und anderen Rezipienten ist Christine Hohmann sehr wichtig und nicht nur Teil der einzelnen Kunstwerke und ihres Entstehungsprozesses, sondern zugleich ein zentrales Element, das verschiedene Teile ihres Ouevres miteinander verbindet: Es geht stets um das menschliche Bedürfnis nach Kommunikation - entweder mit anderen Menschen oder mit der Umwelt an sich.
Dieses Kommunikationsbedürfnis verbindet die Frottagen auch mit dem zweiten Teil der heutigen Ausstellung, den Speläo - Graffitis. "Speläo" bedeutet "Höhle", denn von denen ist die Künstlerin fasziniert, es handelt sich also um moderne Höhlenmalerei.
Auch hier geht es um Kommunikation, nämlich um das Bedürfnis prähistorischer Kulturen, nicht nur untereinander zu kommunizieren, sondern auch der ganzen Welt etwas aus dem eigenen Alltag zu hinterlassen. Dabei werden sowohl Szenen der Alltagskultur wie Jagd, aber auch des spirituellen Lebens gezeigt. Was Christine Hohmann daran fasziniert, ist vor allem die fast naturalistische Art der Darstellung von Tieren, Menschen und Objekten.
Auf dem Naturmaterial Kork - auch hier ist der Träger wie bei den Frottagen in dieser Form nicht mehr erhältlich - refenziert die Künstlerin mit Pstellkreiden, die den prähistorisch verwendeten Pflanzenfarben relativ nahekommen, auf Alltag und Wahrnehmungsmuster der Vorzeit. Zugleich versucht sie damit, sich Kommunikation und Wahrnehmung dieser frühen Kulturen ein Stück weit anzueignen.
Das Zurückgehen in der Zeit verbindet die Speläo - Graffitis auch mit dem heutigen Ausstellungsort. Zwar ist der Rote Turm nicht aus der Steinzeit, sondern erst ab dem Hochmittelalter urkundlich nachgewiesen, dennoch treffen sich hier verschiedene Epochen der Menschheitsgeschichte - mal tatsächlich historisch wie beim Turm, mal als Reminiszenz und Hommage an die frühste Menschheitsgeschichte in den Speläo - Graffitis, mal als detailgetreue Beobachtung dessen, was wir in unserer heutigen Zeit häufig übersehen, in den Street Work - Frottagen.
Zu guter letzt spiegelt sich darin auch der Titel der heutigen Ausstellung "Vestiges of Existence" - "Überreste der Existenz" wider: Was von uns für die Nachwelt bleibt, sind Eindrücke - im wahrsten Sinne des Wortes - und Kommunikationssignale aus einer längst vergangenen Zeit und der Versuch, sie zumindest für einen winzigen Augenblick der Menschheitsgeschichte festzuhalten.